ERLAUCHTER GLANZ
Es war kein Zufall, dass wir im Spiegel etwas verschwommen aussahen. Schließlich waren wir nicht auf einem Selbstfindungstrip. Nein! Wie inzwischen klar sein sollte, war unser Ziel eher, mehr über das Schicksal des altehrwürdigen Geschlechts der Emser zu erfahren.
Die Nacht zuvor hatten wir in unseren Separées auf Eisenrädern verbracht, die uns von Wien aus nach Westen befördert hatten. Im Gegensatz zu meinen Brüdern konnte ich bei dem ständigen „tong, tong" der Waggons kaum schlafen. Endlich, gegen 6 Uhr morgens, hatte ich genug und zog den Vorhang hoch, um zu sehen, ob die Sonne schon schien. Keineswegs! Wir näherten uns der Passhöhe des Arlbergs, der Grenze zu Vorarlberg, dem westlichsten Bundesland Österreichs. Doch statt Sonnenschein auf den Berggipfeln begrüßte mich ein heftiger Schneesturm, der die bereits frühlingsgrüne Erde unter einem weißen Teppich begrub. Und es schneite weiter, fast bis zu der Endstation in Feldkirch. Und dort rieselte es den ganzen Morgen kalt herunter.
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Schwäbischer Frlammekueche |
Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg zum Schloss Hohenems, für das Bruder Ludwig auch eine Führung organisiert hatte. Es war ein imposanter Bau, etwas abseits des Stadtzentrums am Fuße eines Steilhanges gelegen, mit dem Marktplatz und der Stadtkirche auf seiner rechten Seite. Der Bau wurde bereits 1562 von Kardinal Merk Sittich III. von Hohenems (mehr über ihn später) initiiert und von dem berühmten italienischen Architekten Martino Longhi geleitet. Bitte beachten Sie, dass am Tag unseres Besuches kein Schnee fiel, sondern es nur nieselte; das hier gezeigte Bild wurde einige Winter vor unserem Besuch aufgenommen.
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Der Palast Hohenems Photograph: Friedrich Böhriner |
Schon standen wir vor dem beeindruckenden Eingang des Palastes; da kam ein freundlicher Mann mit seinen Hunden auf uns zu. Zuerst hielten wir ihn für den Hausmeister der Residenz, der uns durch die Räumlichkeiten führen sollte. Zu unserer Überraschung entpuppte er sich jedoch als Seine Erlaucht Franz Clemens Graf von Waldburg-Zeil-Hohenems, der derzeitige Gutsherr, der uns als seine "Namensvettern" mit offenen Armen empfing. Wir fühlten uns geehrt, von Seiner Erlaucht persönlich durch diese heiligen Hallen geführt zu werden.
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Seine Erlaucht, Franz Clemens Graf von Waldburg-Zeil-Hohenem kommt uns entgegen |
Zu Beginn unserer Führung wunderte ich mich ein wenig über den Zusatz "Hohenems" im Namen des Grafen. War nicht der letzte Reichsgraf Franz Wilhelm III. von Hohenems 1759 ohne männlichen Erben verstorben? Und hatte nicht Kaiser Franz I. das Reichslehen zusammen mit dem Titel den Habsburgern übertragen? Ich wagte es, den Grafen diskret um Aufklärung zu bitten. Seine Antwort war ein faszinierender Vortrag über Feudalismus und Genealogie.
Auch das ist noch nicht das Ende der Geschichte! Graf Clemens' Großvater war nämlich mit der Enkelin von Kaiser Franz Joseph I. verheiratet. Clemens ist somit auch der Großurenkel eines Reichsgrafen von Hohenems. In der Tat eine kaiserliche Linie
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Carte de visite Kaiser Franz Josefs I. bei Reisen incognito |
Bereits 1647 gingen beim Einfall des schwedischen Generals Wrangel in den Alpenrhein viele Kostbarkeiten verloren. Später, im 18. Jahrhundert, ließ die Gräfin von Harrach-Hohenems die noch vorhandenen Kunstgegenstände, darunter alle Porträts und andere Gemälde, auf ihr Landgut in Bistrau (im heutigen Tschechien) bringen. Mitte des 19. Jahrhunderts diente das Schloss zwanzig Jahre lang als Militärkaserne, wodurch die Wanddekorationen zerstört wurden. Zum Glück für die Nachwelt entschloss sich der bereits erwähnte Graf Clemens Maximilian 1882, das Gebäude wieder zu einer würdigen Residenz der Dynastie Waldburg-Zeil-Hohenems zu restaurieren.
Danach haben sich Graf Clemens und seine Vorfahren große Mühe gegeben, die Schlossräume so weit wie möglich wieder herzustellen, sie mit antikem Inventar auszustatten, alte Gemälde, wenn auch nur als Kopien, wieder an die Wände zu hängen und in den Paradezimmern Möbel aus der Zeit der ehemaligen Emser aufzustellen.
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Noch erhaltene Dachzierden aus der Renaissancezeit! |
Erwähnenswert ist auch das Schlafzimmer des Reichsgrafen Kaspar von Hohenems (1573-1640) und seiner Gemahlin. Die Möbel dieses Zimmers sind zwar nicht original, aber zeitgenössisch. Auch die Porträts des Ehepaars sind Kopien der Originale, die noch heute in Bistrau aufbewahrt werden. Dennoch spürt man das Flair vergangener Zeiten, sorgfältig bewahrt von der neuen Besitzerdynastie.
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Ein reichsgräfliches Schlafzimmer. |
Zum Abschluss unseres Rundgangs machte uns der Graf noch auf ein faszinierendes altes Gefährt aufmerksam, das in einem der Gänge des Schlosses steht. Wie er uns erklärte, handelt es sich dabei um einen Paradeschlitten, den schon Graf Kaspar von Hohenems Anfang des 17. Jahrhunderts im Winter bei Veranstaltungen im Freien benutzte. Wir wagten es, den hölzernen Oldtimer mit unseren Fingern zu streicheln und ließen so eine über 450 Jahre alte Vergangenheit wieder aufleben.
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Gräflicher Renaissanceschlitten |
Wir waren sehr dankbar für die "erlauchte" Führung durch diese hochherrschaftlichen Räume. Zumal Graf Clemens uns nicht gehen ließ, ohne uns in seinem Empfangszimmer mit Kaffee undAvec zu bewirten. Der Graf ist leidenschaftlicher Hobbywinzer und bemüht sich, den alten Weinberg des Schlosses, der bereits in der Renaissance angelegt wurde, wiederherzustellen. Erste Erfolge sind bereits sichtbar, wie der ausgezeichnete Grappa zeigt, der uns serviert wurde. Die Erfrischung war sehr willkommen, da wir uns nach den Erlebnissen des Tages ziemlich erschöpft fühlten, wie man auf dem Bild sehen kann.
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