PARADE DER PFAUEN
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Es war Sonntag, der 28. April 2019. Zwei Tage zuvor war ich von Stockholm nach Wien geflogen und hatte mir die Stadt in aller Ruhe angesehen, aber das ist für diesen Blog nicht von Bedeutung. Konzentrieren wir uns auf den sonnigen Sonntagvormittag. Wir wollten die kaiserliche Rüstkammer in der Hofburg besichtigen. Für diejenigen, die die prachtvolle Hauptstadt Österreichs nicht kennen: Die Hofburg liegt mitten im Stadtzentrum und dient seit Mitte des 15. Jahrhunderts als Residenz der mächtigen Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und später des Kaisertums Österreich.
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Schweizertor der Hofburg. Gebaut 1552 unter Ferdinand I., damals König der Römer Photograph: Simon Matzinger |
Diese Machtperiode begann mit Friedrich III., dem ersten Habsburger Kaiser, gekrönt im Jahr 1452. Er war ein erstaunlich erfolgreicher Herrscher, eher ruhig und träge in seinen Entscheidungen, dem es aber immer wieder gelang, seine Gegner zu überleben. Gegen Ende seines Lebens wäre dies beinahe gescheitert, als ihn der ungarische König Matthias Corvinus seiner östlichen Erblande beraubte und 1485 sogar Wien zur Hauptstadt Ungarns machte. Doch Friedrich überlebte auch diesen relativ jungen König um mehr als fünf Jahre, so dass sein Sohn Maximilian die verlorenen Ostgebiete zurückgewinnen konnte.
Der wichtigste Durchbruch des Kaisers folgte einem besonders mühsamen und langwierigen Feldzug gegen Karl den Kühnen, Herzog von Burgund, bei Neuss in Norddeutschland. Er endete erst 1475, nachdem der päpstliche Legat mit der Exkommunikation beider Herrscher gedroht hatte. Als Teil des Friedens willigte Karl ein, seine Tochter Maria mit Friedrichs Sohn Maximilian zu verheiraten. Von da an wuchs die Macht der Habsburger innerhalb von nur 60 Jahren bis zu dem Punkt, an dem Maximilians Enkel Karl V. (zumindest per päpstlichem Dekret) über die halbe Welt herrschte.
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Das Übereinkommen in Neuss in Treutzsauerwein (1514), Weißkunig Quelle: ÖNB, Wien |
Die andere europäische Großmacht jener Zeit, Frankreich, blieb angesichts des beispiellosen Aufstiegs der Habsburger nicht untätig. Zuerst in Burgund und bald auch in Italien entbrannte ein erbitterter Machtkampf zwischen den Valois und den Habsburgern, der mit den Burgundischen Erbfolgekriegen und den Großen Italienischen Kriegen fast 100 Jahre andauerte. Neben den Habsburgern und Frankreich waren auch die Niederlande, das Heilige Römische Reich, die meisten italienischen Staaten, Spanien und sogar England unter Heinrich VIII. sowie das Osmanische Reich unter Süleyman dem Prächtigen in diese ständigen Konflikte der Renaissance verwickelt. Die meisten Kämpfe fanden in Italien statt, aber auch so weit im Süden wie in Marokko, im Westen wie in der Normandie und im Norden wie in den Niederlanden. Auch im Osten wurde gekämpft, gegen Ungarn.
Diese gewaltigen Ereignisse waren im Bewusstsein der Zeit sehr präsent. Sie spiegelten sich in der Art und Weise wider, wie sich der Hochadel seinen Untertanen präsentierte, sei es durch Repräsentation oder durch Kriegsspiele, die bei Turnieren und ähnlichen Veranstaltungen ausgetragen wurden. Jeder Herrscher oder Heerführer, der etwas auf sich hielt, musste bei festlichen Anlässen in feierlichen Harnischen erscheinen, die sehr aufwendig gestaltet waren, auch wenn sie in der Renaissance bereits von moderneren Waffen und einfacheren Rüstungen abgelöst wurden.
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Doppelseite aus Schrenck von Notzing (1601), Augustissimorum Imperatorum ... Dieses Monumentalwerk misst ganze 50x70 cm im Buchaufschlag Quelle: ÖNB, Wien |
So beschloss ein Habsburger Erzherzog, Ferdinand II. von Tirol, der in diese turbulente Kriegszeit hineingeboren wurde, die Prunkharnische aller europäischen Persönlichkeiten jener Zeit zu sammeln: Kaiser, Könige, Herzöge und Feldherren. Er war ein Sammler im modernen Sinne, denn er trug nicht nur eine fast vollständige Sammlung zusammen, sondern ließ sie auch in einem großen Buch katalogisieren (Schrenck von Notzing [1601], Augustissimorum Imperatorum ...), zusammen mit einem Porträt des jeweiligen Besitzers in seiner Rüstung und einer kurzen Autobiographie. All dies wurde in seinem Schloss Ambras in Tirol sorgfältig aufbewahrt. Teile dieser einzigartigen Sammlung von Renaissance-Harnischen sind heute in der Kaiserlichen Rüstkammer in der Hofburg zu besichtigen.
Vor etwa 25 Jahren habe ich schon einmal dieses Museum besucht. Damals war ich allein und konnte mir einen ganzen Tag Zeit nehmen, um durch die Ausstellung zu wandern. Es war eine sehr lehrreiche Erfahrung. Die fast hundert ausgestellten Rüstungen mit ihren Beschreibungen gaben mir einen erfrischenden Einblick in die Geschichte der Renaissance. Zwar kannte ich sie noch aus dem Schulunterricht, aber nun standen genau die Persönlichkeiten (zumindest ihre Rüstungen) vor mir, über die ich als Jugendlicher begeistert gelesen hatte.
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Kaiser Friedrich III. zu Pferd. Vor ihm sein Sohn Erzherzog Maximilian |
Sehr überrascht war ich allerdings, als mir mein Bruder Ludwig kurz vor unserer Reise erzählte, er habe erfahren, dass einige der Rüstungen den Emsern gehörten! Das hatte ich bei meinem Besuch völlig übersehen! Vielleicht waren diese Harnische damals noch nicht ausgestellt. Jedenfalls durchstreiften wir drei Brüder an jenem Sonntag eifrig die vielen Räume voller Rüstungen auf der Suche nach solchen, die den Namen Ems trugen.
Und zu unserer großen Freude wurden wir fündig!
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Wolf Dietrich von Ems zu der Hohenems Jakob Hannibal II von Hohenems Ein Emser zur Blütezeit ... ... und im Niedergang |
Wie kommt es, dass die Rüstungen der Emser zu denen der edelsten Herren der europäischen Renaissance zählen? Die Antwort ist einfach: Die Emser gehörten zum kontinentalen Hochadel! Als zunächst freie Reichsritter und später Reichsgrafen hatten sie sich in allen Renaissancekriegen auf die Seite der Habsburger geschlagen, waren als unentbehrliche Heer- und Söldnerführer anerkannt und teilten den Aufstieg ihrer Herrscher. Was für ein Ansporn, unsere Reise fortzusetzen und mehr über diese faszinierende Familie zu erfahren!
Noch am selben Abend beeilten wir uns, unsere Reise mit dem Nachtzug nach Feldkirch in Vorarlberg fortzusetzen, um dort die Emser, ihren Ursprung, ihren Aufstieg, ihre Blütezeit und ihren Niedergang näher zu erforschen.
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