VON DER MACHT UND DER HERRLICHKEIT


Die Motivation für diesen Blog reicht weit zurück. 


Es ist mehr als dreissig Jahre her, dass ich Anfang der 90er Jahre im EFTA-Sekretariat in Genf als Ökonom die EWR-Verhandlungen begleiten durfte. Es war eine spannende Zeit, in der ich Hintergrundpapiere zu schwierigen Verhandlungsthemen erarbeitete und die Positionen mit den Unterhändlern der Mitgliedstaaten abstimmte. Besonders freundlich war dabei der Kontakt zu zwei jungen Vertretern Liechtensteins, Markus und Hubertus, die gerade ihr Studium abgeschlossen hatten und mit Begeisterung an den Verhandlungen teilnahmen. Seither sind wir in Kontakt geblieben, auch wenn Markus leider nicht mehr unter uns weilt.

Im Februar 1991 hatte ich Urlaub und war auf dem Weg nach Wien, um die Ballsaison zu genießen. Zuerst machte ich jedoch einen Zwischenstopp in Liechtenstein, um die beiden Verhandlungsführer zu besuchen. Sie empfingen mich mit offenen Armen und wir verbrachten einen interessanten Tag zusammen mit intensiven Gesprächen über dies und das, wie es in der Jugend so üblich ist. Beim Kaffee überreichte mir Markus plötzlich ein Geschenk, einen dicken Band von einem gewissen Bilgeri (Bilgeri [1977]: Geschichte Vorarlbergs, Band III) und fragte mich gleichzeitig, ob ich mit den berühmten Emsern aus Hohenems in Vorarlberg verwandt sei.

Ich war sprachlos. Ich hatte noch nie von dieser hochadeligen Familie von Ems gehört, die nicht nur Generäle, Erzbischöfe und Kardinäle zu ihren Mitgliedern zählte, sondern auch für ihre ausgedehnten Herrschaften im Alpenrheintal bekannt war. Als ich nach einer intensiven Tanzwoche in Wien nach Genf zurückkehrte, schlug ich das Buch sofort auf und begann, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Kein leichtes Unterfangen! Zwar stand mir nur der dritte Band von Bilgeris Vorarlberger Geschichte zur Verfügung, aber der allein umfasste schon über 350 Seiten. Aber es hat sich gelohnt.



Vor meinen staunenden Augen entfaltete sich eine mehr als tausendjährige Chronik voller wundersamer Geschichten über das Haus Ems. Bilgeri vermutete, dass die Emser aus der Gegend von Chur im heutigen Kanton Graubünden in der Schweiz stammten und schließlich rheinabwärts zogen, um eine Festung namens Castrum Alta Amisa (Burg Hohenems) südlich des Bodensees zu beherrschen, an dem Ort, der heute Hohenems heißt.

 

Diese Familie hatte alles. Hier nur einige Höhepunkte: Im Hochmittelalter hielten sie im Auftrag eines Stauferkaisers den letzten Normannenkönig von Sizilien in ihrer Festung gefangen, geblendet und gefesselt; wenig später brachten sie einen großen Dichter hervor, der für seine Weltgeschichte in Reimen in ganz Europa berühmt war. In den Jahrhunderten nach der Großen Pest waren sie als Befehlshaber von Söldnertruppen an den meisten großen Kriegen beteiligt, die damals in Europa geführt wurden. Die Kriegsschauplätze reichten von Schwaben bis Italien, von Marokko über Südfrankreich bis zu den Spanischen Niederlanden und vom Bodensee bis nach Schlesien, Ungarn und den Balkan, zuletzt mit den Türkenkriegen und dem Österreichischen Erbfolgekrieg in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

 

Sie waren nicht nur starke Krieger, sondern auch geschickte und erfolgreiche Diplomaten. Es gelang ihnen, in die Familie der Medici von Mailand einzuheiraten. Dadurch wurden sie Schwager, Neffe und Großneffe eines Papstes, was den beiden letzteren den Rang eines Kardinals bzw. Fürsterzbischofs (von Salzburg) einbrachte. Die päpstliche Verwandtschaft veranlasste auch Kaiser Ferdinand I., der Familie den erblichen Reichsgrafenstand zu verleihen und sie damit in den Hochadel zu erheben.


Das Wappen der Edlen von Ems


Leider folgte auf diese Blütezeit bald der Niedergang. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der seinen Teil dazu beitrug, begann der Verfall des Hauses, und die Emser waren schließlich gezwungen, Anfang des 18. Jahrhunderts bis zu Hälfte ihrer Ländereien an die Liechtensteiner zu verkaufen. Bald darauf erlosch die männliche Linie. Sic transit gloria mundi!


Ich bin ein entspannter Mensch, der nicht viel von Forschung hält. Deshalb war ich eigentlich mit dem Wissen, das ich aus Bilgeris Buch gewonnen hatte, zufrieden und hatte nicht vor, es zu vertiefen. Aber ich erzählte meinen Brüdern und ihren Kindern die gute Nachricht, dass wir berühmte Namensvettern haben. Zu meiner Überraschung interessierte sich mein jüngster Bruder Ludwig im Gegensatz zu mir sehr für das Schicksal der Emser und widmete im Laufe der Jahre viel Zeit der Erforschung ihrer Geschichte. An meinem 70. Geburtstag durfte ich den Grund dafür erfahren. Er schenkte mir ein Büchlein, in dem er alle verfügbaren Informationen über die Geschichte des Hauses Ems zusammengetragen hatte.

Daraufhin schlug er vor, dass wir Ems-Brüder - Emil, Richard und Ludwig - uns auf eine Entdeckungsreise begeben sollten, um den Spuren der noblen Emser zu folgen und maßgebende Orte zu besuchen, die noch heute von den Leistungen dieser berühmten Familie zeugen. Das haben wir im Frühling 2019 getan und der vorliegende Blog ist das Ergebnis dieser Reise.


Von links: Ludwig, Richard und Emil Ems

Beim Verfassen des Blogs habe ich mich von einer anderen "Voyage à trois" inspirieren lassen, die vor mehr als hundert Jahren unternommen wurde (Jerome [1889], Three Men in a Boat). Diese Vorgänger fuhren mit Boot, während wir drei im Auto unterwegs waren. Auch sie schrieben einen Bericht über ihre Reise, aber es war kein gewöhnliches Reisetagebuch. Stattdessen bestand es aus einer anregenden Sammlung historischer Essays über die Orte, die sie in England entlang der Themse besuchten. In ähnlicher Weise werden sich die Essays in diesem Blog zwar auf unsere Reise stützen, aber doch darüber hinausgehen, um ein vollständiges Exposé des Hauses Ems über einen Zeitraum von fast 1300 Jahren zu präsentieren.

 

 -o-


Erlauben Sie mir, diesen Blog Markus Büchel, dem ehemaligen liechtensteinischen Regierungschef, zu widmen, der leider in seinen besten Jahren verstorben ist. "Requiesce in pace!", alter Freund.


Markus Büchel mit Gemahlin Elena


Kommentare

  1. Lieber Emil...

    Du bist ein unglaublich fleißiger Mensch. In der Ferne allerdings im Wikingerland. Glückwunsch für den historischen Bildband und das Emser Kapellenbuch. Ich möchte gerne über Dich eine spezielle Geschichte in Erscheinung bringen. Zerst einmal meine Wünsche für das Jahr 2025. Informiere mich mich bitte, wann Du in Österreich bist.

    Liebe Grüße Hannes Krois

    AntwortenLöschen
  2. Lieber Emil,

    unglaublich deine Motivation und dein Tatendrang! Mein tiefster Respekt! Herzliche Glückwünsche und alles Gute für dein neues Projekt❤️

    ganz liebe Grüße und ein gutes und vor allem gesundes neues Jahr!
    Renate

    AntwortenLöschen
  3. Das Verfolgen von Ahnenspuren hat für mich immer auch den Reiz Zusammenhänge mit sich selbst zu finden. Es ist bewundernswert, wie Du dieses historische Auf und Ab wiedergefunden hast.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts